Die dauerhafte Anwesenheit des Menschen auf dem Gebiet des heutigen Piešťany ist unumstritten älter, als die erste bekannte schriftliche Erwähnung der Existenz einer Siedlung, lateinisch genannt Pescan, festgehalten von einem mittelalterlichen Schreiber im Jahre 1113. Wenn die Menschen hier lebten, dann sind die auch gestorben und so musste auch die einstige Gesellschaft ihre Toten bestatten. Grabstätten aus dem 11. Jahrhundert – und die müssen nicht die ältesten sein – wurden bei archäologischer Forschung auf der Detvianska Straße entdeckt. Noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert wurden Menschen auf dem Pažitský Friedhof und auf dem Teplický Friedhof bestattet, die mittlerweile jedoch aufgelöst wurden. Viele Pietätfelder sind ohne erkennbare Spur erloschen. Drei von den existierenden Friedhöfen sind von den Straßen Bratislavská, Žilinská und Jánošíkova zugänglich; der vierte befindet sich in einem isolierten Stadtteil – einer ehemaligen selbstständigen Gemeinde – Kocurice. Auf diesen Pietätplätzen ruhen Tausende Seelen; einfache Menschen und bedeutende Künstler, Wissenschaftler, Ärzte, Priester, Lehrer, Baumeister, verdienstvolle Organisatoren. Der eine hat eine unauffällige Grabstätte, der andere ein vom Weiten sichtbares Grabmal.
Gräberfelder, Ruhestätte der Toten, Pietätfelder, oder sonst wie die Friedhöfe gewöhnlich genannt werden, sind nicht nur Orte der letzten Ruhestätte der Verstorbenen, sondern stellen auch Freilichtgalerien der sepulkraler Kunst dar; sind auch Bereiche für die Präsentation von Kleinarchitektur und Baumzuchteinrichtungen. In diesen Zusammenhängen haben sie auch einen nicht unbedeutenden historischen Wert.
DER FRIEDHOF AUF DER BRATISLAVSKÁ STRASSE
DER FRIEDHOF AUF DER BRATISLAVSKÁ STRASSE wurde Anfang der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts nach dem Projekt der Architekten F. Wimmer und A. Szőnyi gegründet. Aus verständlichen pragmatischen Gründen bekam er die Beifügung Neu. Aus dem 54 199 m² großem Grundstück wurde jeder der damals drei dominierenden Konfessionen eine entsprechende Eigenfläche eingeräumt und für jede Religionsgemeinde wurden einzelne Zeremoniengebäude errichtet. Diese waren so angelegt, damit sie eine kompakte architektonische Einheit bilden. Mit der Zeit war die gegenseitige Isolation des evangelischen und katholischen Bestandteiles überstanden und getrennt blieb nur der „bet olam“ für die Bekenner des jüdischen Glaubens. Auf einer zusammenhängenden Fläche, ursprünglich konsequent getrennten christlichen Bestandteile – von einem Zaun sind nur Überreste geblieben – wurde ein bürgerlicher Friedhof gegründet, auf dem die Bekenner von verschiedenen Religionen und Ungläubige begraben wurden, verbunden durch den Tod in einer konfliktlosen Gemeinschaft. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert wurden in diesen Friedhof manche Grabmale und exhumierte Überreste von den beseitigten älteren Friedhöfen übertragen. Und so kamen auf diese junge Grabstätte auch Grabsteine, die viel früher angefertigt wurden, bevor die Idee über die Errichtung eines Friedhofes entstand. Als ein Beispiel kann man ein Granitgrabmal der Familie Janszky aus dem Jahre 1911 erwähnen (Sektor B, Nr. 316), unter dem auch der einstige Hauptgärtner der Parks von Piešťany J. Janszky (+1940) begraben ist. In den achtziger Jahren bereicherte den Friedhof ein Urnenfeld, gegründet nach dem Entwurf der Ing. A. Stašková. Zur Erleichterung der Orientierung dient die Aufteilung des Friedhofs in acht Grabsektore, gekennzeichnet mit den Buchstaben A bis H; das Urnenfeld hat eigene Kennzeichnung.
MUDr. Emanuel Wohlstein
(Dermatolog)
In der Reihe der evangelischen Gräber, angelehnt an die nördliche Umzäunung des Friedhofes, befindet sich auch die Ruhestätte des Nestors der Dermatologen von Piešťany des Primararztes Dr.med. Emanuel Wohlstein (1896 – 1970); im Plan des Friedhofes ist sie unter A-84 bezeichnet. Der Absolvent der medizinischen Fakultät der Karlsuniversität in Prag (1921) erlangte Spezialisierungen in den Kliniken in Wien, Berlin, Paris und Leiden. In Piešťany arbeitete er seit dem Jahre 1925 und nebenbei bekleidete er mehrere fachmännische Ämter von ganzstaatlicher Bedeutung, u. a. präsidierte er der dermatologisch-balneologischen und der klimatologischen Kommission der dermato- venerologischen Sektion der Tschechoslowakischen Ärztegesellschaft (ČSLS) des J. E. Purkyňe. Wissenschaftlich tätig hielt er Vorträge in der Tschechoslowakei, Österreich, Ungarn, Rumänien, Frankreich; seit Mitte der zwanziger Jahre publizierte er systematisch hierzulande und auch im Ausland – alleine in deutschen Zeitschriften „Dermatologische Wochenschrift“ und „Dermatologische Zeitschrift“ publizierte er zirka zwanzig Wissenschaftshandlungen. Er entwickelte ein patentiertes Gerät zur Untersuchung und Auswertung der lokalen galvanischen Hautreaktion (110699/1964).
Abdulah Bečarovič
(Geschäftsmann mit Balkaneis)
Als vor ungefähr hundert Jahren Abdulah Bečarovič (1862 – 1935) aus dem südlichen Rand der damaligen multinationalen k. und k. Monarchie nach Piešťany wanderte, brachte er nicht nur die Kenntnis der Herstellung des Balkaneises mit sich her, sondern auch den nach seinen Vorfahren geerbten Glauben. In der neuen Wirkungsstätte hatte er mit seinem Eis Erfolg gehabt, also blieb er für immer. Als er starb, wurde er in einem abgelegenen Zipfel des evangelischen Teils des Friedhofes beigesetzt (A-445). In dieser Umgebung verrät das nichtalltägliche Grabmal, dass unter ihm die Knochen eines rechtgläubigen Moslems liegen. Und obwohl es mit der Zeit auf den Friedhöfen von Piešťany nicht mehr das einzige ist, unter den Gräbern der Mitgläubigen bleibt es immer das anziehendste und sehenswerte Grabmal.
Vincenzo Cicutto
(Unternehmer)
In der Familiengrabstätte A-6, angebracht an den Überbleibsel der Betonumzäunung, die den katholischen von dem evangelischen Teil des Friedhofes abtrennte, ist Vincenzo Cicutto begraben (1875 – 1947). Ein Italiener, der mit einer erblichen Kenntnis des Bauhandwerkes ausgerüstet, aus seinem Heimatland hinter die Alpen hinauszog, um für sein Unterhalt fern ab der Heimat zu sorgen. In der neuen Umgebung setzte er sich durch. In Piešťany gründete er die Firma V. Cicutto und Co. (V. Cicutto a spol.), ein Bauunternehmen; er führte eine prosperierende Produktion von Terrazzo, für welches sein Name ein Qualitätskennzeichen bedeutete. Den Erfolg und Nutzen des Unternehmens bezeugt so manches Haus, das auf den Straßen von Piešťany steht. Die Tätigkeit des prosperierenden Unternehmens wurde von der Nachkriegsverstaatlichung entgleist.
Václav Rympler
(Steinmetz)
Die Grabmäler in der unerschöpflichen Arten-, Formen-, Größen-, und Benennungsvielfalt, spiegeln die viel tausendjährige Entwicklung und sind ein sichtlicher Bestandteil eines jeden Friedhofs. In die Reihe ihrer Gestalter, getrieben durch Pietätgefühle und Bestellungen solventer Investoren, gehörte auch Václav Rympler (1883 – 1949), bestattet im Grab B-11, in der selben Reihe wie auch die Familienmitglieder von V. Cicutto (3). Rymplers Werke fehlen auf keinem der Friedhöfe von Piešťany; auf dem Friedhof an der Žilinská Straße kann man ihre Besichtigung gleich hinter dem Haupteingang von dem Grab des Pfarrers Praznovszký beginnen, auf dem alten jüdischen Friedhof muss zumindest das Granitgrabmal des Ehepaars Quittner auffallen. Seine steinbildhauerische Werkstätte arbeitete für ein weites Gebiet, wovon die Friedhöfe von Doľany, Smolenice oder Vrbové sehr wohl ein Zeugnis liefern. (Die Friedhöfe von Vrbové sind aus mehreren Gründen einen Besuch wert).
Milan Antal
(Astronom)
Auf den Grabmälern – nicht nur auf den Friedhöfen von Piešťany – gibt es viele Namen der Einwohner von Piešťany, im Weltall allerdings nur wohl einen. Der Name des Astronomen Milan Antal (1935 – 1999), der gemeinsam mit seinen Eltern im Grab B-284 ruht, wird durch die Welt von einem kleinen Planeten geführt, benannt so zum Gedenken dieses Entdeckers einiger Duzend von Asteroiden. Als er für sie die Namen entworfen hatte, hatte er seinen Geburtsort nicht vergessen. Und so streichen die Namen Piešťany und Antal die kosmischen Weiten. Er blickte auf den Himmel von der Kuppel der Sternwarte auf dem Felsen See (Skalnaté Pleso) hoch. Schade, dass die Bestrebung keine Früchte getragen hat, die er für die Errichtung einer Sternwarte im heimatlichen Piešťany aufwendete. Das würdige Grabmal der Familie stammt aus dem Ende der vierziger Jahre, ausgeschliffen von dem trentschiner Steinmetz Krúpa.
Ing. Ivan Haluzický
(Militärpilot)
Einige Gräber der Militärpiloten auf den Friedhöfen von Piešťany gibt es nicht ohne einen Zusammenhang mit dem heimatlichen Flugplatz. Einige von ihnen sind tragisch direkt in Piešťany oder in der nahen Umgebung ums Leben gekommen. Allerdings nicht so der Pilot, begraben im Grab C-7 – der Oberleutnant der Luftfahrt Ing. Ivan Haluzický (1913 – 1965). Im August 1944 (in der damaligen Zeit hatte er den Rang des Kapitäns) führte er die aufständische Mannschaft von Piešťany in das Aufstandszentrum auf dem Flughafen von Sliač durch. Die Mitglieder dieser Mannschaft kämpften dann auf den Fronten in Nová Baňa, Martin, Vrútky, Malý Šturec. Nach der Niederschlagung des Slowakischen Nationalen Aufstandes (SNP) flog er in die Sowjetunion, wo er eine hohe Kommandofunktion in der Ersten Tschechoslowakischen gemischten Luftdivision innehatte. Später konnte er in der Heimat den Repressalien nicht ausweichen; die Rehabilitierung kam sehr spät. An das Andenken der Aufstandseinheit erinnert ein Denkmal im Stadtpark von dem akademischen Bildhauer L. Ľ. Pollák.
Ing. Ivan Ondrejkovič
(Fotograf)
Das gepflegte Familiengrabmal mit den Überresten des Ing. Ivan Ondrejkovič (1935 – 1998), eingesetzt zwischen vielen ähnlich dezenten Gräbern in der Tiefe des Sektors C, auf der linken Seite der Zentralallee (C-610), ist nicht leicht zu finden. Der ausgebildete Landwirtschaftsingenieur fand sein Lebensziel im Photographieren; aus dem anfänglichen Hobby ist schließlich ein Beruf geworden, in dem er sich aber auszeichnete. Kaum abzählbare Menge herausgegebener Ansichtskarten, ein Quantum von Photographien in vielfältigen Publikationen, propagierend slowakische Heilbäder (z. B. in Büchern Trentschinteplitz (Trenčianske Teplice), 1989, Piešťany in den Zeitalterwandeln, 1992), werden mit dem sich vergrößerndem Zeitabstand spürbarer zu einem Dokument der Flüchtigkeit der zeitgemäßen Gestalt der Kurorte.
Aurel Kajlich
(Akademische Maler)
In dem Familiengrab direkt bei der Hauptquerachse des Friedhofes (E-2) ist der akademische Maler Aurel Kajlich (1901 – 1973) begraben. Gebürtig aus Turá Lúka, ein Schüler des Professors Max Švabinský an der Akademie der bildenden Künste in Prag (1923 – 1927), gehörte zu den bedeutenden Persönlichkeiten der slowakischen Malerkunst; seine Werke haben einen Platz in Galerien und sein Name kam in die Lehrelexika. Der Kunstmaler, Graphiker und Illustrator hinterließ neben einer großen Anzahl an Gemälden auch eine unerschöpfliche Menge an brillanten Zeichnungen, er entwarf Banknoten und Briefmarken. Besonders seine graphischen Werke erwecken bei den Ausstellungen nach seinem Tode eine starke Resonanz. Mit einer fachkundigen Bewertung seines Werks beschäftigte sich zum Beispiel der Kunstwissenschaftler M. Váross (1971). Da in der Stadt keine Galerie errichtet wurde, die sein geschaffenes Werk sammeln und präsentieren würde, zerstreute sich diese auf einem großen Gebiet: Ein Teil kam in private Sammlungen im Ausland.
Ladislav Ľ. Pollák
(Akademische Bildhauer)
In der Grabstätte E-106 fand seine letzte Ruhestätte der akademische Bildhauer Ladislav Ľ. Pollák (1912 – 2002). In Koplotovce geboren, Absolvent der Kafka Spezialschule der monumentalen Bildhauerei an der Prager Akademie der bildenden Künste (1939), siedelte er sich in Piešťany an, wo er gemeinsam mit seinen Zeitgenossen A. Kajlich und V. Vavro zu den Hauptrepräsentanten der bildenden Gemeinde angehörte. Von zahlreichen Werken untergebracht in seiner Arbeitsstätte sind das Ludwig van Beethoven Denkmal (1939, ein Kulturdenkmal der Slowakischen Republik), das Denkmal des Sängers des Feiergedichtes „Saluberrimae Pistinienses Thermae“ (das heilendste Piešťany Bad) - Adam Trajan aus Benešov (1948) und der Springbrunnen vor der gleichnamigen Kultureinrichtung Fontána (Fontäne) (1956) zu besichtigen. Diese drei Kunstwerke sind relativ nah beieinander im Stadtpark aufgestellt, weitere schmücken manch andere öffentliche Plätze in der Stadt, viele sind in der ganzen Slowakei zerstreut. Nicht weniger bedeutend als die bildhauerische Autorenschöpfung waren auch die Restauratorentätigkeiten des Meisters, unter anderem sicherte er den Transfer des Kastells von Parížovce in das Freilichtmuseum von Pribylina.
Ing. Ján Šípoš
(Publizist, Werbeträger der Geschichte von Piešťany)
Ing. Ján Šípoš (1924 – 1992), bestattet im Grab F-51, war einer der eifrigsten Werbeträger der Geschichte von Piešťany. Ursprünglich nicht aus Piešťany, kein Historiker der Ausbildung nach, wird er schon Anfang der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zu einem wirksamen Mitglied des Redaktionskollegiums der Kurzeitschrift Piešťany geworden. Er studierte fleißig das Archivmaterial und publizierte reichlich. Sein letztes Buch: „Piešťany im Wandel der Zeitalter“ (Piešťany v premenách vekov“) erschien im Jahr seines Todes. Obwohl Piešťany, wo er wohnte und als graduierter Ökonom in verantwortlichen Funktionen im Heilbad arbeitete, verständlicherweise im Zentrum seiner Aufmerksamkeit stand, widmete er sein Hauptaugenmerk im Rahmen seiner balneohistorischen Aktivitäten slowakischen Heilbädern. Er vergaß dabei auch sein Geburtsort nicht, wovon die inhaltsreiche Monographie Trenčianske Teplice (Trentschinteplitz) (1989) ein sprechender Beleg verbleibt.
MUDr. František Ernest Scherer
(Arzt)
Von dem aufgelösten Teplický Friedhof (1976) wurden in den Neuen Friedhof (F-91) exhumierte Überreste, das Epitaph und einige weiteren Einzelteile von dem ursprünglichen Grabmal des Gründers des Armeekurhauses, des bedeutenden Fachmanns für die Badetherapie, des Autors der deutsch geschriebenen Monographie „Die heißen Quellen und Bäder Pöstény (Piestjan) in Ungarn“ (1837), MUDr. František Ernest Scherer (1805 – 1879), überführt. Der gebildete, menschenfreundliche Arzt und standhafte Befürworter der progressiven Methoden der Badetherapie, gebürtig aus Südtschechien, weihte Piešťany volle fünfzig Jahre seines schöpferischen Lebens und starb auch in Piešťany. Schon während seines Lebens wurde er als der „Gründer und Pionier der modernen Balneotherapie“ respektiert und diese Anerkennung wird von hohen Auszeichnungen bezeugt, mit denen er geehrt wurde. Seine Bedeutung überschritt die Stadt- und Zeitgrenzen, mehrere von ihm eingeführte Heilmethoden breiteten sich auch außerhalb von Piešťany und werden in einem nicht geringen Ausmaß bis heute angewendet. Die neueste Auflage des genannten Buchs im Jahre 2000 – erschien in deutsch und slowakisch – fand auch noch nach 163 Jahren nach der ersten Ausgabe interessierte Leser.
Familie Winter
(Mitglieder der Familie Winter)
In der Nachbarschaft des Grabmals von F. E. Scherer (11) befindet sich die rekonstruierte, neu hergerichtete Grabstätte der Familie Winter (F-92), ursprünglich bestattet auf dem ehemaligen Teplický Friedhof. Die Frauenstatue über dem Grab mit dem Gesicht der Ehefrau des Ľ. Winter Leona ist ein Werk des Bildhauers Alojz Rigele (1897 – 1940). Der gebildete Intellektuelle Imrich Winter (1878 – 1943) hatte bei der Gründung des Museums in Piešťany einem ausschlaggebenden Beitrag geleistet und sein älterer Bruder Ľudovít (1870 – 1968) weihte sein tatkräftiges Leben hauptsächlich der Entwicklung und der Propagierung des Heilbades von Piešťany, das die Familie Winter in der Verpachtung bis zur Verstaatlichung (1940) im Besitz hatte. Neben der Verdienste um den Aufbau einer Reihe von Kurgebäuden und Kureinrichtungen – von den bedeutendsten ist zumindest das Komplex Thermia Palace – Irma (1910 –1912) zu erwähnen – war Ľudovít Winter ebenfalls der Initiator und Investor des Aufbaus des großräumigen modernen Rosa Mühlwerks (Ružový mlyn) (1917 – 1918), des ersten industriellen Objektes in der Stadt. An die Tätigkeit der Geschwister Winter erinnern Gedenktafeln, die eine auf einer der Fassaden des Kursalons und die andere am Objekt Grüner Baum (Zelený Strom) an der Straße, die bezeichnenderweise benannt ist: Winterova (Winters Straße).
Denkmal der Opfer des Ersten Weltkriegs
(Opfer des Ersten Weltkriegs)
Bei Auflösung der Friedhöfe gehen immer viele Zeugen verloren und auch viele Vergangenheitsnachweise. In der Regel auch dann, wenn es eine Bestrebung gibt, ihnen einen neuen würdigen Platz zu gewähren. Bei der Verschiebung der Überreste größerer Menge der Opfer des ersten Weltkriegs (1914 – 1918) aus den einzelnen Gräbern auf dem Teplický Friedhof, wurden die ursprünglichen Grabsteine nicht erhalten, und so verschwand mit jedem Grabmal auch auf ihm geschriebener Name des Verstorbenen. Ein neues gemeinsames Granitdenkmal – gewiss würdig – eint auf einem zugeordneten privilegierten Platz des Sektors F alle Opfer in einer völligen Anonymität.
Marek Lubošinský
(Aristocrat, Hotelier und Kunstsammler)
In einer nächsten Umgebung ist ein außergewöhnliches orthodoxes, in eine im großen und ganzen unauffällige Grabplatte eingraviertes, Kreuz wohl das einzige, was einen zufälligen Passanten anregen kann, damit er in der Tiefe des Friedhofes ausgerechnet beim Grab G-211 anhält. Neben dem Kreuz ausgehauener und unbetitelter Name Marek Lubošinský (1891 – 1980) trug ein gebildeter und weltoffener Mann, gebürtig ein Adeliger und geistig ein ehrenwerter Mensch mit einem bewegten Schicksal eines Emigranten, der in Piešťany ein neues Zuhause fand und am Ende seines Lebens das Balneologische Museum mit einem imposanten Geschenk seiner Sammlung wertvoller antiker orientalischer Gegenstände bereichert hatte. Die Sammlung hat, auch mit Lebenslaufdaten des Spenders, ihren eigenen Bereich in der musealen Exposition reserviert.
Prof. MUDr. Štefan Siťaj, DrSc.
(Arzt - Rheumatologe, Publizist)
Im Kolumbarium des Urnenhains, hinter der Marmortafel mit dem Namen des Prof. MUDr. Štefan Siťaj, DrSc. (1911 – 1990) ist die Urne mit der Asche des Gründers und langjährigen Direktors des Forschungsinstituts (Nationalen) der rheumatischen Erkrankungen in Piešťany (1952) untergebracht. Ein Fachmann von Weltruf, aktives Mitglied der Slowakischen Akademie der Wissenschaften, der Leiter der Subkatheder der Rheumatologie des Instituts für die Ausbildung der Ärzte und Pharmazeuten, ein Experte der Weltgesundheitsorganisation für die Krankheiten des Bewegungsapparates, ein Ehrenmitglied von fünfzehn ausländischen rheumatologischen Gesellschaften, ein mit vielen Ehrungen gekrönter Mensch. Sein erstrangiger Verdienst war, dass die Bedeutung des Instituts die Staatsgrenze weit übergriffen hatte. Die Vielzahl von publizierten bedeutungsvollen wissenschaftlichen Arbeiten und die aktive Kenntnis mehrerer Fremdsprachen einschließlich Latein, öffneten ihm den Weg zu den Präsidiumsposten bedeutender internationaler Wissenschaftskongresse; im Ausland war er ein gesuchter Fachkundiger für Vorträge.
Ferdinand Goldstein
(Partisan)
In dem jüdischen Sektor des Friedhofes befindet sich die Grabstätte des Ferdinand Goldstein, am 17. September 1963 eingetragen in die Kulturdenkmälerliste der Slowakischen Republik unter der Evidenznummer 973/0. F. Goldstein (1918 – 1944) studierte Deutsch, Englisch und Körpererziehung an der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität in Prag (1936 – 1939). Allerdings konnte er, in der Lage, die nach dem Zerfall der Tschechoslowakischen Republik eintrat und wegen des Diktats des Protektorats in Böhmen und Mähren, sein Studium nicht beenden. Als Mitglied der Partisanengruppe „Nováky – Jegorov“ beteiligte sich an dem Slowakischen Nationalaufstand (SNP) und am 18. November 1944, gemeinsam mit dreizehn Gefährte, fiel er in dem Gader Tal. Nach dem Krieg wurden seine sterblichen Überreste aus einem Gemeinschaftsgrab ausgehoben und ehrenvoll auf dem jetzigen Platz bestattet. Die Karlsuniversität beehrte ihn nach seinem Tode post mortem mit der Erteilung des Doktortitels.
17 Grabsteine
(17 Grabsteine von der aufgelösten Bestattungsstelle in der Nachbargemeinde Banka)
Bei der südlichen und teilweise auch bei der östlichen Umzäunung des jüdischen Sektors, im Halbdunklen zwischen der lebendigen Vegetation, gibt es siebzehn aneinander gereihte reich beschriebene Grabsteine – zehn sind ganz unversehrt -, deren Alter weit vor das Datum der Friedhofsgründung reicht. Sie stammen von der aufgelösten Bestattungsstelle in der Nachbargemeinde Banka und erinnern an die Tatsache, dass dort zumindest im 19. Jahrhundert schon eine zahlreiche jüdische Gemeinschaft existierte. (Auf dem früheren Friedhof blieb an der ursprünglichen Stelle ein einziges Denkmal, umschlungen von einem massiven Baumstamm einer Linde, die dieses Denkmal vor der Beseitigung bewahrte.)
DER FRIEDHOF AN DER ŽILINSKÁ STRAßE
DER FRIEDHOF AN DER ŽILINSKÁ STRAßE, genannt auch Oberer oder Alter, wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert angelegt. Das Hauptmerkmal ist ein Säulensteindenkmal abgeschossen mit einem Kreuz mit Korpus, beim Säulenrumpf mit einer Statue der Jungfrau Maria, angebracht auf der rechten Seite der Allee, etwa in der Mitte der Entfernung zwischen dem Eingang und der Friedhofskapelle. Das ausgehauene Jahr 1864 kann man als das Gründungsjahr des Friedhofes ansehen, allerdings der Zaun zur Abgrenzung von der Straße, wurde erst im Jahre 1893 ausgemauert. Das belegen Marmortafeln, eingebaut in den Torpfeilern des Haupteingangs. Die ältesten Grabmale, ob steinerne oder metallartige, spiegeln den Zeitgeschmack und die beschränkten Finanzmöglichkeiten der überwiegend bäuerlichen Bevölkerung, denen der Friedhof diente. Von Gesteinen wurde bis zur Hälfte des 20. Jahrhundert am häufigsten Sandstein verwendet; die metallischen Grabkreuze wurden aus Gusseisen angefertigt. Wohl die ausdrucksvollste, aber auch spezifischste Form, die sich auf dem Friedhof gleich in einigen Exemplaren befindet, sind in ein gewisses Hufeisen gekoppelten „ehelichen“ Grabsteine. Sie waren besonders in 19. Jahrhundert beliebt, sporadisch wurden sie noch in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts gefertigt und das auf einem schmalen Gebietsstreifen ungefähr von Tyrnau (Trnava) bis Piešťany, mit dem Zentrum in Dobrá Voda und dessen naher Umgebung.
Die Kapelle des hl. Josef diente bis zur Errichtung eines neuen Zeremonienobjektes als Leichenhalle, bzw. als Lager; die jetzige Gestaltung stammt aus dem Jahr 2001. In seinem Ausdruck ein plebejischer Friedhof ist es die letzte Ruhestätte der Angehörigen mehrerer einheimischer Geschlechter; es ruhen dort auch verdienstvolle Einzelpersonen. 23 416 m² große Fläche mit ungefähr 2 500 erfassten Grabstätten ist geteilt in sechs Sektoren, gezeichnet von A bis F.
Alexander Šindelár
(Römisch-katholische Dekan-Pfarrer, Oberbürgermeister)
Einige Schritte von dem Haupteingang, auf der rechten Seite der Allee (B-77) ist der ehemalige römisch-katholische Dekan-Pfarrer von Piešťany und seit dem Jahr 1931 bis 1938 auch der Oberbürgermeister der Stadt Alexander Šindelár (1888 – 1947) begraben. Er ging von der Welt durch die Hand eines Mörders direkt in dem Pfarrhausgebäude fort, wo an dieses Ereignis eine, an der Fassade angebrachte Gedenktafel erinnert. Das tragische Lebensende am Abend des Tages, der der Ehrung und Andenken an die Verstorbenen geweiht ist, am 2. November, sicherte ihm einen Platz in den Erinnerungen der Einwohner. In der Nachbarschaft der Grabstätte, markiert durch ein großes Sandsteingrabdenkmal in der Form eines stilvollen, reich geschmückten Kreuzes, befinden sich mehrere und bescheiden bezeichnete Priestergrabmäler, bei denen es sich lohnt kurz stehen zu bleiben.
Valér Vavro
(Bildhauer)
In einer Familiengrabstätte mit dezenter Grabarchitektur (D-65) ruht der bedeutende slowakische Bildhauer – Monumentalist, Portraitist und Restaurator – der aus Piešťany stammende Valér Vavro (1911 – 1992). Er ist der Autor von Hunderten von Statuen, Skulpturengruppen, Büsten, Reliefs, Grabmälern, Träger des Stadtpreises von Piešťany (1978), des M. Benka Prestigepreises (1981), der Gedenkplakette des Slowakischen Denkmalschutzinstitutes (1991) und anderen Ehrungen und Preise. Er verbrachte einen wesentlichen Teil seines Lebens in seinem Geburtsort, wo an ihn unter anderem auch die Plastik „Ernte“, aufgestellt vor dem Balneologischen Museum – dem Kursalon (1937), das Denkmal der Gefallenen in dem ersten Weltkrieg vor der Kirche des Heiligen Stefan (1937), das Befreiungsdenkmal auf dem Platz des Slowakischen Nationalen Aufstandes (1950), oder die Statue „Gruß von der Front“ vor der Kolonnade an der Winterova Straße (1965) erinnern. Neben der Portraits der Weltkulturgrößen (L. van Beethoven, Rembrandt van Rijn) fertigte er eine ganze Büstengalerie der slowakischen Persönlichkeiten (D. Jurkovič, J. Króner, Š. Moyses, J. Nemčík, Z. Nováček, J. Palkovič, A. Sirácky), einschließlich solcher die eng mit Piešťany verbunden waren (u. a. K. Duffek, K. Havlíková, A. Kajlich, F. E. Scherer, I. Stodola, G. Vámoš); er portraitierte auch eine Menge kleiner Leute. Mehrere seine Werke – sofern sie keine Gebäude, Stadtplätze, Parks oder Friedhöfe schmücken – sind im Besitz von Museen und Galerien, einschließlich der Slowakischen Nationalgalerie.
Familie Fodor
(Familie des Kurarztes MUDr. Koloman Fodor)
Bei der Eingangsallee, ungefähr gegenüber dem Hauptkreuz, ergibt sich langsam der Einwirkung der Zeit eine überdimensionale neoklassizistische Betongrabstätte (D-131) der Familie des Kurarztes MUDr. Koloman Fodor (1849 – 1929). An ihrer Stirnseite sticht das Mankeobüki Prädikat hervor, das eindrucksvoll an die Treue gegenüber dem einstigen „Direktor der Kurärzte“, des Abgeordneten des Ungarischen Landtags und des königlichen Beraters, dekoriert mit mehreren Orden und Auszeichnungen, der ehemaligen Monarchie, erinnert. Seit dem Jahre 1884 präsentierte er seine eigenen Fachkenntnisse und Publizistik: „Die Schlammbäder von Piešťany“ (Pöstyéni iszapfürdő, Piešťanské bahenné kúpele), „Die Schlammbäder von Piešťany mit einer speziellen Berücksichtigung der „Massage“ als Behandlungsmethode (Pöstyéni iszapfürdő különös tekintettel a „Massage“ gyógymódra, Piešťanské bahenné kúpele so zvláštnym zreteľom na „masáž“ ako spôsob liečby, 1888). Um die Jahrhundertwende erschien in mehreren Ausgaben in Wien und Leipzig auch die deutsche Ausgabe: Schlammbad Pistyan (Pöstyén) in Ungarn mit besonderer Berücksichtigung der „Massage-“Heilmethode. An die Tätigkeit von K. Fodor in Piešťany wird von der Gedenktafel an dem Haus Nummer 23 an der Winterova Straße erinnert.
Eduard Klubica
(Dokumentalisten und Propagator der Realien von Piešťany)
Ein gleichermaßen bescheidenes so wie auch gravitätisches Metallkreuz mit einer anmontierten nicht großen Identifizierungstafel, an der mit Mühe der Name Eduard Klubica (1912 – 1978) zu lesen ist, geduckt direkt bei der nördlichen Dienststraße am ganzen Rande des Friedhofes, markiert die Grabstätte (A-293). In dieser verwesen die Knochen des originellen und unermüdlichen Entdeckers, Dokumentalisten und Propagators der Realien von Piešťany. In der Öffentlichkeit war er eher unter dem Namen „Sekera“ (Axt) bekannt und so erweiterte eben irgendjemand, der gegebenheitskundig war, nachträglich die Informationseigenschaften der Tafel um diese Angabe, die er kunstlos in das weiche Metall ausgekratzt hat. Ein nützlicher Höhepunkt der Selbstverwirklichung von Eduard Klubica Sekera war eine Tätigkeit verbunden mit der Editierung der Zeitschrift Saluberrimae Pistinienses Thermae (1948) (Das heilendste Bad von Piešťany), für die er, neben der Standardredaktionsarbeit auch fotografierte und schrieb. Beliebt war insbesondere die frischlebendige Serie „Aus der Geschichte des Heilbades von Piešťany“ („Z histórie Piešťanských kúpeľov“).
Die steinernen Grabmale aus dem 19. Jahrhundert – ob sie von der Hand eines Volkskünstlers entsprungen sind oder in einer gewerbsmäßigen Steinmetzwerkstätte entstanden sind – sie alle spiegeln die stilistische Zeitempfindung wider. Auf mehreren wischte der Regen oder ein anderer Natureingriff die Aufschrift weg, einige tragen die Spuren einer brachialen Beschädigung, und auf anderen wiederum wurden durch irgendeine günstige Umstandskoinzidenz die Spuren der Polychromie erhalten, die dem 19. Jahrhundert nicht fremd war. Am häufigsten kommen verschiedene Formen, die mit einem Kreuz gipfeln, vor, nicht einzigartig sind aber auch einfache bretterne Stelen, doppelte Grabmale, vielfältige prismenförmige und pyramidale Formen mit klassizistisch oder historisierend gestaltenden Oberflächen. Ein relativ häufiger Hinweis des 19. Jahrhunderts sind neben den steinernen Denkmälern auch ornamentale gusseiserne Kreuze.
Die Grabmale in der Form eines Kreuzes waren eine typische Art der Kennzeichnung der katholischen Gräber. Obwohl in den stilistischen Ausdruckserscheinungen des 19. Jahrhundert eine breite Skala der funeralen Plastik ihren Platz hatte, z. B. Engel- und Heulliesefiguren, und selbstverständlich auch eine Menge winziger architektonischer Gestalten, wie Fiale, Säule, Obelisk, Edikula u. ä., entweder aus Stein oder Metall. In Piešťany kommen von den Metallartefakten vorwiegend eben nur die dekorativen Gusseisenkreuze mit Korpora und Tafeln mit Text vor, gefestigt in Stein- oder Betonsäulenplatten. Die häufigste, wenngleich nicht die alleinige Dekoration der Gusseisenkreuze und der Umrahmung der Tafeln ist ein reiches, erfinderisches Pflanzenornament.
DER JÜDISCHE FRIEDHOF AN DER JÁNOŠÍKOVA STRASSE
DER JÜDISCHE FRIEDHOF AN DER JÁNOŠÍKOVA STRASSE ist die ältere von den zwei Bestattungsstellen in Piešťany. Auf der übrig gebliebenen umzäunten Rechteckfläche befinden sich 637 größtenteils gut erhaltene Grabstätte – sandhaltig, marmorn oder Granit und sporadisch Terrazzo – von vielfältiger Größe, Form und Alters; die ältesten, von den identifizierten stammen aus der Hälfte des 19. Jahrhundert. Von dem ursprünglichen Grundstück wurde Ende des 20. Jahrhunderts das Zeremonienobjekt (ciduk hadin) ausgenommen, das nach seiner Gestaltung dem profanen Zweck dient. Aus dem funeralen Inventarium der Beerdigungsbruderschaft (Chevra kadiša) wurde ein unbeschädigter Trauerwagen (merkavat-ha-metim) erhalten, zur Zeit aufbewahrt auf dem Friedhof unter einer provisorischen Überdachung. Über die Anfänge des Pietätfeldes (bet olam) gibt es keine greifbare zuverlässige Angaben, da aber in Piešťany im Jahre 1736 dreizehn jüdische Familien lebten und deren Zahl noch bis Ende des Jahrhunderts auf das Vierfache wuchs, ist es nicht ausgeschlossen, dass auf diesem Friedhof schon im achtzehnten Jahrhundert bestattet wurde. Diese Annahme könnte durch die Identifizierung von mulmigsten Sandsteinstelen bestätigt werden, die aber von der Witterung stark abgenutzt sind. Der Friedhof, obwohl er nicht formell für ein Kulturdenkmal erklärt wurde, verfügt über alle Werteigenschaften eines Denkmalkomplexes und ist eine der wertvollsten Sehenswürdigkeiten von Piešťany.
Die religiöse jüdische Gemeinsamkeit nahm den Grabstein als die Opfergabe, als Ersatz für die Verwesung des zerstörten Körpers, als den Prediger der Läuterung und als die Auferstehung des Verstorbenen, wahr. Die Lebensdauer des Steins vermittelte eine Nähe zum Jenseits. Die Stelen abgeschlossen mit einem Rundbogen sollen an die Tafeln mit Zehn Gebote erinnern. Jeder hebräische Buchstabe ist heilig, die Buchstaben ausgehauen in Stein gaben die Hoffnung, dass sie nicht zerstört werden. Das Gesetz erlaubte „keine nachgeahmte Gestalt von irgendetwas, was es oben im Himmel, oder unten auf Erden, oder im Gewässer unter der Erde gibt“ (Ex 20,4) darzustellen, und so prägte sich die Gestaltungskraft des Volkes an den Grabstätten durch Ornamentverzierung und Dekorationsschrift aus. Jedes beliebiges Dekorationsmotiv wurde zu einem Symbol, das in einer Kurzform über dem Verstorbenen ausgesagt hatte. Die Geste der segnenden Hände, in der auch die Umrisse der hebräischen Schrift „shin“ zu finden sind, die den Allmächtigen symbolisiert, bedeutet, dass der Verstorbene ein „kohen“ war, ein Nachkomme des Großpriesters Aaron, der das Recht hatte die segnende Formel auszusprechen: „Seid vom Herrn gesegnet und geschützt, dass er über euch sein Gesicht aufheitert...“ (Nu 6,23 – 26).
Obwohl die Freiheit der bildenden Äußerung von strengen Vorschriften eingeschränkt wurde, überrascht die Dekoration von der Form her vielfältiger Grabsteine durch das Einfallsreichtum der Formen und den Reichtum der Aussagekraft. Wenn ein klug dargestelltes geöffnetes Buch erinnert, dass im Grab die Knochen eines Weisen – eines Tora Kenners – verwesen, dann gibt ein kleiner Krug, eine Schale, oder ein anderes Waschzeug an, dass der Verblichener ein „Levite“ war; Krönlein oder Stern symbolisieren einen Mann, gebrochener Baum, gebrochene Kerze, gebogene Feder sind in Allgemeinheit die Todeskennzeichen. Manche Dekorationsteile, oft nur für einen Stilrichtungsausdruck angesehen, sind der Nachklang durch Mystizismus durchgesickerten Geschichte der auserwählten Völkerschaft. So haben die, an den Seiten der Stele, ausgehauenen Säulen eine Darstellung in den Bronzesäulen der Vorhalle des Tempels von Jerusalem, genannt Jakín und Bóaz (1 Kr 7,15 – 22).
Sofern sich ein religiöse Israelit aus irgendwelchen Beweggründen doch entschlossen hat ein lebendiges Wesen abzubilden – ob einen Löwen oder Hirsch, was häufiger ein Familienname der Juden in der Diaspora waren – bestimmt fand er in den heiligen Schriften dafür eine Rechtfertigung. So, zumal der Prophet Ezechiel über vier Wesen sprach, die „...alle vier ein Löwengesicht hatten“ (Ez 1,10), die Gesetzeshüter haben entschieden, dass bei der Einhaltung bestimmter Regeln man den Löwen darstellen kann. Als Symbol der königlichen Macht wurde der Löwe mit Vorliebe auf die Mäntelchen der Tora, auf den Sanktuariumsvorhang und auf andere Kultgegenstände, und mit verschiedener Bedeutung auch auf den Grabstätten, angewendet. Die Löwen auf dem Grabmal des Torakenners bewachen, als eine Ehrenwache, das geöffnete Buch der Bücher. Vom Fall zu Fall bekamen ein Dispens die Hirsche, Bären, Vögel, Fische und mehrere andere Wesen.
Das Epitaph an der Grabstätte des orthodoxen Rabbiner Koloman Weber aus Piešťany (er starb im Jahre 1931), erinnert an eine der markantesten Persönlichkeiten des jüdischen religiösen und politischen Lebens in der Zwischenkriegszeit in der Tschechoslowakei. Als der Hauptrabbiner und der Vorsitzender der Zentralkanzlei der autonomen jüdischen Gemeinde in der Slowakei und der Karpato-Ukraine, personifizierte er einen Fundamentalismus, mit dem sich nicht alle Gläubige identifizieren konnten. Die Unzufriedenheit eines Teils der Religionsgemeinde von Piešťany mit seinen Aktivitäten war eine der Revoltenursachen. Diese wirkten sich im Jahre 1926 in der Gründung einer unabhängigen neologischen Kommunität aus mit einem eigenen Rabbiner, eigener Synagoge (1928), und seit dem Anfang der dreißiger Jahre auch mit eigener Bestattungsstelle, reserviert für die Kommunität bei der Errichtung eines neuen Gemeindefriedhofes an der Bratislavská Straße. Wie auch immer, für K. Weber fand man einen Platz auch im Goldenen Buch der Slowakei 1918 –1928 (II. Ausgabe 1930); sein Name kommt üblicherweise in den Publikationen, gewidmet der Geschichte der Juden in der Slowakei, vor.
DER FRIEDHOF VON KOCURICE
Die ehemalige unabhängige Gemeinde tauchte aus der grauen Vorzeit – ähnlich wie Piešťany – im Jahre 1113 unter dem Namen Koswran. Nach Jahrhunderten der selbständigen Existenz hat sich die Gemeinde im Jahre 1974 mit Piešťany in eine administrative Gesamtheit zusammengeschlossen und wurde zu einem der Stadtteile. Trotz der langen Geschichte stammen die ältesten erhaltenen dreidimensionalen Vergangenheitsnachweise von Kocurice allerdings erst aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts. Zu solchen gehören insbesondere drei Grabmäler, die aus irgendwelchen Umständen zwischen den bildend uninteressanten Bauelementen, die den Friedhof circa seit der Hälfte des vorigen Jahrhunderts überströmen, nicht verschwunden sind. Die wertvollsten der alten Grabsteine brachten in unsere Zeit etwas von dem Scharm seinerzeitiger Volkskunst durch. Wie auf der jeden Bestattungsstelle von Piešťany, kann man auf dieser auch eine Probe des reifen Steinmetzhandwerks des Václav Rympler (siehe 4) sehen. Das zentrale, „Haupt“ Steinkreuz, das in seiner Werkstätte im Jahre 1927 entstand, gehört zu den Schmuckstücken des Friedhofes. Zwischen den Grabdenkmälern befindet sich auch ein Denkmal der örtlichen Opfer der Weltkriege.
Text: Ing. arch. Ľubomír Mrňa
Foto: Jozef Radošinský